Ganzes Pfarreiblatt als pdf herunterladen

Leitartikel: Gegrüsset seist du Maria

Im Hinblick auf den Marienmonat Mai habe ich mich auf die Suche nach Maria gemacht. Mich fasziniert an Maria, dass eine Frau, über die wir aus der Bibel nur wenig wissen, über Jahrhunderte hinweg auf unterschiedlichste Weise vielen Menschen zum Vorbild geworden ist. Etwa meiner Grossmutter, die zusammen mit anderen Frauen die Lourdesgrotte in Wangs pflegte und regelmässig morgens mit Nachbarinnen den Rosenkranz betete. Oder einigen feministischen Theologinnen, für die Maria eine Frau mit starkem Glauben ist, die mutige Entscheidungen trifft und von Gerechtigkeit träumt. Diesen Aspekt wollte ich weiterverfolgen.

Was schätzen Sie an Maria?
Natürlich ist es problematisch, wenn Maria oder andere Berühmtheiten zu einem idealen Menschen zurechtgestutzt werden, den man sich selber oder anderen als ein Vorbild vor die Nase hält, das man nie erreichen kann. Aber sich jemanden zum Vorbild zu nehmen, kann auch etwas sehr Kraftvolles sein. Gerade wenn das Vorbild ein Mensch ist, den man gut kennt und von dem man auch schon die Schattenseiten gesehen hat. Das hat mich auf die Idee gebracht, einige Menschen in meinem Umfeld nach den Marias ihres Lebens zu fragen. Konkret habe ich sie gefragt, ob sie eine Maria kennen und was sie an ihr schätzen.

Eine Vielfalt von Antworten
Die Antworten waren unglaublich spannend. Marias sind unsere Schwestern, Freundinnen, Nachbarinnen, Tanten, Schwiegermütter und vieles mehr. Marias können fein kochen, sind grosszügig und schenken vorbehaltlos Vertrauen. Sie stellen ihre Küche bei Regenwetter als Holzchueli-Stall für ihre Grosskinder zur Verfügung und scheuen harte Arbeit nicht. Sie sind intelligente Powerfrauen, die die Welt im Sturm erobern und bereit sind, sich auch nach einem grossen Streit um Versöhnung zu bemühen. Marias laden ein, sich gemeinsam für Frauenanliegen einzusetzen und ermöglichen inspirierende Begegnungen. Auch gibt es Sagenerzählerinnen mit Gespür für das Übersinnliche unter den Marias, die es gleichzeitig schaffen, als junge Witwen ihre fünf Kinder durchzubringen. Es war für mich sehr inspirierend, von diesen Marias zu hören und ich hatte den Eindruck, dass es auch den Befragten Freude bereitete, von ihren Marias zu erzählen.

Ich kann dieses Experiment nur empfehlen. Natürlich kann man auch einen anderen Namen wählen. Aber Maria war für mich ein guter Start. Auch wenn ich dabei nicht direkt etwas über die biblische Maria gelernt habe, so habe ich diese im Schreibprozess doch irgendwie tiefer ins Herz geschlossen. Schliesslich war sie auch einfach irgendeine Maria, als Gott an ihre Tür geklopft hat.

Christa Grünenfelder, Pfarreiseelsorgerin