Betrunken sein: nicht vom Alkohol, sondern vom Leben und Gottes Gegenwart. (Foto: pixelio.de)

 

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Leitartikel: Trunken vor Glück

 

Sie sind von süssem Wein betrunken.

Apg 2.13

 

So stelle ich mir den Heiligen Geist vor, den wir an Pfingsten feiern und mit dem ich mich auch im Rahmen der Firmvorbereitung immer wieder befasse: In der Pfingsterzählung bleiben die Jünger und Jüngerinnen Jesu erst einmal unter sich. Aber dann kommt Bewegung in die Sache. Sie gehen nach draussen, verständigen sich über alle Sprach- und Kulturgrenzen hinweg mit allen möglichen Menschen und bei einigen von ihnen hinterlassen sie den Eindruck, als wären sie von süssem Wein betrunken.

 

Das Wirken des Heiligen Geistes
Dieses Gefühl würde ich gerne unseren Firmand*innen vermitteln, wie betrunken sein vom Leben und von Gottes Gegenwart. Aber wie?

Vielleicht ist das aber auch einfach die falsche Denkrichtung und ich nehme mich damit in meiner Rolle als kirchliche Mitarbeiterin viel zu wichtig. Ich bin überzeugt, dass der Heilige Geist, die göttliche Dynamik, sowieso in dieser Welt wirkt – innerhalb und ausserhalb der Kirche. Wie können wir das kirchliche Handeln immer wieder nach dieser Dynamik ausrichten?

Manchmal habe ich den Eindruck, wir warten heutzutage eher darauf, dass der Heilige Geist zu uns in die Kirche kommt – wo wir ihm doch so schöne Gebäude gebaut und tolle Flyer entworfen haben. Dabei bin ich ziemlich sicher, dass diese Haltung keine Zukunft hat.

 

Trunkene Momente inner- und ausserhalb der Kirche
Obwohl es auch in der Kirche immer mal Momente gibt, bei denen durchaus ein gewisses Suchtpotential besteht und wo ich mich wie betrunken fühle, weil es so schön ist. Zum Beispiel wenn ich mit Heimbewohner*innen Gottesdienst feiere und wenn Geschwister aus der ganzen Schweiz anreisen, um bei der Krankensegnung ihres Vaters mitzubeten. Oder wenn Firmand*innen anfangen, Projekte zu entwerfen und von dem zu erzählen, was sie bewegt. Letztens war ich auch an einem Treffen der katholischen Neutestamentler*innen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum, wo ich ganz trunken von all den spannenden Diskussionen, neuen Perspektiven und interessanten Bekanntschaften ins Rontal zurückkehrte – trunken vor Glück sozusagen.

Aber daneben gibt es eben auch das Kaffeegespräch mit der Nachbarin, die Biergespräche mit Freund*innen aus der Tanzszene oder vom Ruderclub und das Gläschen Rotwein mit dem Atheisten aus Aachen. Alles Momente, in denen ich mich nicht nur wegen des Alkoholpegels in meinem Blut, sondern auch deswegen leicht trunken fühle, weil ich viel über Gott und seine wunderbare Schöpfung lerne. Nur die Frage, wie ich diese beiden Welten innerhalb und ausserhalb der Kirche zusammenbringen kann, macht mich oft etwas ratlos.

 

Christa Grünenfelder