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Leitartikel: Seid mutig!

Das Motto des eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettags lautet dieses Jahr «Mut» (siehe auch Seite 23). Zuerst bin ich mit diesem Stichwort auf eine Stelle im ersten Korintherbrief gestossen. Dort heisst es: «Seid mutig!» (1 Kor 16,13). In einem digitalen Wörterbuch erfahre ich, dass das griechische Wort dafür auch als «Verhaltet euch wie ein Mann!» übersetzt werden könnte. Da aber Männer genau wie Frauen recht unterschiedliches Verhalten zeigen, hilft mir diese Umschreibung nicht wirklich weiter. Welche Bilder ruft das Wort Mut bei Ihnen hervor? Hier zwei biblische Bilder, die mir eingefallen sind.

Die hässliche Lea (Gen 29,15–30)
Erinnern Sie sich daran, wie sich Jakob in die schöne Rahel verliebt und sieben Jahre lang für ihren Vater Laban gearbeitet hat, um sie sich zu verdienen? Als die sieben Jahre um sind, schmuggelt Laban dem armen Jakob die hässliche ältere Schwester Lea ins Hochzeitsbett. Wie ging es Lea wohl in dieser Situation? Mut kann definiert werden als die Fähigkeit, seine Angst zu überwinden. Ich an Leas Stelle, hätte in dieser Situation grosse Angst vor den Konsequenzen eines solchen Heiratsschwindels für mein zukünftiges Leben gehabt. Aber hatte sie eine andere Wahl, als ihrem Vater zu gehorchen? Welche Alternativen hatte sie? Ist man auch dann mutig, wenn man sich in eine schwierige Situation schickt und versucht, das Beste daraus zu machen?

Die Dirne Rahab (Jos 2)
Zwar hat Mose das Volk Israel aus Ägypten herausgeführt, aber erst unter Josua wurde das gelobte Land erobert. Zuvor hat Josua jedoch zwei Kundschafter nach Jericho geschickt. Diese vernachlässigen ihre Pflichten und gehen auf direktem Weg zu einer Prostituierten namens Rahab. Dummerweise erfährt der König Jerichos von der Präsenz feindlicher Spione und sendet seine Soldaten aus. Nur dank Rahabs Hilfe gelingt den Kundschaftern die Flucht. Hierin könnte man die stärker politisch ausgerichtete Definition von Mut erkennen, nämlich die Bereitschaft, angesichts zu erwartender Nachteile etwas zu tun, was man für richtig hält. Ihr mutiges Eingreifen hat Rahab denn auch einen Platz in Jesu Stammbaum im Matthäusevangelium eingebracht.

Ist Mut gut?
Beim Nachdenken über Mut habe ich realisiert, dass dieser Begriff für mich intuitiv positiv konnotiert ist. Auch in der Bibel wird Rahab als Heldin dargestellt, weil sie das Volk Gottes unterstützt hat. Aber ich könnte mir vorstellen, dass die damaligen Bewohner*-
innen Jerichos, die später Opfer der Eroberung wurden, Rahab vielleicht eher eigennützige Motive unterstellen würden – etwa dass sie sich im Falle einer Eroberung absichern wollte. Bei Leas Geschichte stellt sich mir zudem die Frage, welche Ängste man überwinden muss, um als mutig zu gelten und welche Ängste zurecht oder zu Unrecht belächelt oder sogar als krankhaft eingestuft werden. Sie sehen: Fragen über Fragen. Aber lassen Sie sich dadurch nicht entmutigen.

Christa Grünenfelder

 


 

Ökumenischer Gottesdienst im Rontal
Zum eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag: 19. September, 9.30 Uhr, Pfarrkirche Ebikon