Das Paradiesgärtlein eines unbekannten oberrheinischen Meisters um 1410/ 1420 verbindet auf geschickte Weise Elemente des sakralen «hortus conclusus» (geschlossener Garten) mit Motiven profaner Schloss- und Liebesgärten. (Bild: Städel Museum)

 

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Leitartikel: Gärten – auf der Suche nach dem Paradies

 

Ich habe weder einen grünen Daumen noch einen Garten. Trotzdem faszinieren mich Menschen, die ihren Garten hegen und pflegen. Es scheint gar so, als wäre der Garten für diese Menschen so etwas wie ein Paradies.

 

Ein Garten ist keine unberührte Natur. Er ist ein Ort schöpferischen Gestaltens und auch Ergebnis von Mühe und Arbeit – oft umgeben von einem Zaun, von Hecken oder sogar von einer Mauer. Es gibt ein Drinnen und ein Draussen. Wer einen Garten hat, kennt die Mühen und Freuden der Gartenarbeit am eigenen Leib. Doch das ist nicht alles – Gärten sprechen von Fruchtbarkeit, Harmonie, der Sehnsucht nach Lust und Gartenfesten, vom Duft der Natur und vom Rhythmus der Jahreszeiten. Ein Garten ist eine Welt für sich.

 

Sehnsucht nach dem Paradies
Die Sehnsucht nach einem idyllischen Ort, an dem es weder Krieg noch Hass noch irgendwelche andere Probleme gibt, die tragen vermutlich viele Menschen in sich. Heute vielleicht mehr denn je. Das hebräische Wort «Gan/Ganna» bedeutet Umwallung, Zaun eines Geheges und Garten. Das dazugehörige Verb ganan bedeutet «schützen/hegen». Dieses hebräische Wort wird mit dem griechischen «paradeisos» übersetzt. Das Paradies ist also biblisch gesehen «der Garten».

 

Ein Garten wie ein kleines Paradies
Was tun Menschen neben dem Jäten, Pflanzen, Giessen und Ernten in einem Garten? Im Titelbild «Paradiesgärtlein» liest Maria im blauen Kleid seelenruhig in einem Buch. Sie jätet nicht, giesst nicht. Sie ist die Ruhe selbst, ganz bei dem was sie tut. Der Garten – ein Ort des Rückzuges, ein Ort, an dem die Seele zur Ruhe kommt. Aber auch ein Ort, an dem unsere Bilder, Träume, Wörter, Geschichten und das Staunen geborgen und aufgehoben sind. Der Garten – auch ein Ort des Zusammenseins.

 

Und wer keinen Garten hat
Menschen, die keinen Garten haben, auch sie haben Orte oder einen Ort, an dem sie sich gerne aufhalten, zurückziehen und sich wohl fühlen. Das wünsche ich allen Menschen. Oft wird bei einer Klosteranlage auch die Vorhalle der Klosterkirche Paradies genannt. Und wie der heilige Bernhard von Clairvaux (um 1090-1153), Abt, Kirchenlehrer und Mystiker, der auch keinen eigenen Garten besass, schon sagte:

 

Den Garten des Paradieses betritt man nicht mit den Füssen, 
sondern mit dem Herzen.

 

Regina Osterwalder