Buchrain Perlen
Ebikon
Root

Der leere Tisch und das volle Herz

 

Ein leerer Esstisch bleibt oft einfach leer. Doch er kann zum Symbol für etwas Grösseres werden. Stellen wir uns vor: Eine Wohngemeinschaft verzichtet an einem Tag bewusst auf ein grosses Essen. Stattdessen sitzen alle zusammen und sprechen darüber, was sie bewegt, worüber sie sich freuen und wo es Spannungen gibt. Vielleicht sind es unausgesprochene Sorgen, Ärger oder Enttäuschungen, die wie unsichtbare Mauern zwischen uns Menschen stehen. Vielleicht sind es Worte des Dankes und der Liebe, die schon lange hätten ausgesprochen werden wollen.

Ein solcher Moment des Zuhörens und Austauschens kann mehr Nahrung geben als jedes Festmahl. Der Verzicht fühlt sich dann nicht wie ein Verlust an, sondern wie ein Gewinn – fürs Herz, für die Gemeinschaft und für den Frieden. Danach isst man etwas Einfaches. Diese Mahlzeit hat sicher eine besondere Qualität.

Ich habe das erfahren bei einem unangemeldeten Besuch eines «alten» Studienkollegen. Eigentlich bin ich kein Freund solcher Besuche. Sie sind für die Besuchenden weit amüsanter als für die Besuchten. Bei diesem Kollegen aber habe ich es gewagt. Prompt sassen wir bei ihm zuhause an einem leeren Tisch. Doch die Leere gab uns Gelegenheit für einen reichen Austausch ohne Ablenkung. Das Essen danach im Restaurant war besonders schön, vieles hatten wir schon besprochen.

 

Am Aschermittwoch, 5. März, beginnt die vierzigtägige Fastenzeit.
Fasten kann bedeuten, Platz zu schaffen – nicht nur auf dem Teller, sondern auch in der Seele.

 

Probieren Sie es aus: Lassen Sie den Tisch mal leer – und füllen Sie Ihre Herzen. Sogar allein kann das gelingen: Geistig füllt man die Stühle mit Menschen seiner Gedanken und «spricht» mit ihnen über das gemeinsam Erlebte und Nicht-Erlebte.

Die Fastenzeit bietet eine besondere Gelegenheit, solche Rituale auszuprobieren und damit vielleicht eine Tradition zu schaffen, die weit über diese Zeit hinaus wirkt.

 

Sag mir, was dich trägt
Erzähl mir von dem, was dich hält, dich nicht verzweifeln lässt. Zeig mir den Grund deines Vertrauens, die Quelle deiner Kraft. Berichte mir von deinem Weg in die Tiefe, damit ich meinen Weg zu dir wage, den Grund finde und die Quelle und Vertrauen schöpfe bei dem, dem du vertraust. Rede mir von Gott, damit er lebendig wird in uns und zwischen uns.

Katholisches Gesangbuch
Nr. 569.5

 

Ich wünsche Ihnen
eine erfüllende Fastenzeit.

Andres Lienhard,
Pfarreiseelsorger Ebikon