Dieses Glasfenster zeigt die Fusswaschung aus der Passion Christi.
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Fastenzeit

Stärken und Schwächen

 

«Was sind Ihre Stärken und Schwächen?» – Eine typische Frage für ein Bewerbungsgespräch. Die Fastenzeit mit all ihren Gegensätzen kann eine Gelegenheit sein, dieser Frage aus einer etwas anderen Perspektive einmal wieder nachzugehen.

 

Asche und Freude
Die Fastenzeit ist voller Spannungen: Trübe Nebeltage wechseln sich ab mit den letzten weiss-blauen Wintertagen und der Morgenfrost kämpft gegen die unaufhaltsamen Boten des Frühlings. Auch der Verlauf des Kirchenjahres fühlt sich zuweilen an wie eine Achterbahnfahrt: Wurden wir am Aschermittwoch noch an unsere Herkunft und Zukunft im Staub erinnert, ist der vierte Fastensonntag eine Ermutigung zur Freude. «Laetare! – Freu dich!» ergeht der Aufruf an das biblische Jerusalem. Auch an uns? Papst Franziskus erinnert uns in seinem Schreiben «Freut euch und jubelt» an den Ruf zur Heiligkeit in der Welt von heute, der an uns alle geht:

Wir sind alle berufen, heilig zu sein, indem wir
in der Liebe leben und
im täglichen Tun unser
persönliches Zeugnis ablegen, jeder an dem Platz,
an dem er sich befindet.»
(GE 14)

Wie kann ich diesem Ruf mit Freude begegnen? Was kann ich besonders gut? Und was mache ich besonders gerne? Womit kann ich anderen eine Freude bereiten? Wo kann ich in diesem «täglichen Tun», ohne mich zu verstellen, ein Licht im Frühlingsnebel sein?

 

Mut, sich dienen zu lassen
«Niemals sollst du mir die Füsse waschen!», rief Petrus gegenüber Jesus aus, als dieser nach einigen anderen Jüngern auch ihm sinnbildlich den Staub von den Sohlen waschen wollte. (Joh 13,8) Jahr für Jahr erinnern wir uns in den Gottesdiensten an Gründonnerstag an diese Szene.

Traute Petrus Jesus das Füssewaschen etwa nicht zu? Wohl kaum. Oftmals wird angesichts dieser Szene die Demut Jesu hervorgehoben. Schliesslich machte er sich damit den Jüngern gegenüber zum Diener, ging vor ihnen in die Knie und machte sich klein. Doch wie steht es um die Demut des Jüngers? Eine, zugegeben, eher unvertraute Definition bestimmt Demut eben gerade nicht als die Bereitschaft zu dienen, sondern als den Mut, sich dienen zu lassen. Dazu bedarf es, sich seiner Schwächen und Grenzen bewusst zu werden und Hilfe zuzulassen. Wo also bin ich schwach? Was kann ich etwas weniger gut als andere? Was beansprucht zu viel von meiner Zeit und meiner Energie? Wo kann ich, gerade in meiner Schwäche, anderen den Weg bereiten, auf dass sie kleine Zeichen der Heiligkeit vollbringen können?

Besinnen wir uns in diesen Tagen auf unsere Stärken und Schwächen – sie machen uns aus! Und vielleicht ermöglicht gerade die Asche, ganz ähnlich wie beim Phönix, ein Aufsteigen in Heiligkeit.

 

Silvan Wyss
Religionspädagoge RPI, Buchrain