(Fotos: Christa Grünenfelder)

 

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Das volle Leben

 

Der November bietet sich gerade in Zusammenhang mit Allerseelen, aber auch mit der beginnenden Winterruhe der Natur dafür an, über das Thema Tod und Sterben nachzudenken. Auch wenn es nicht immer ein einfaches Thema ist, spreche ich eigentlich gerne über den Tod.

Vor einiger Zeit beim Spazieren am See bin ich zum Beispiel einem Bekannten begegnet. Weil er wusste, dass ich Theologin bin, hat er mich auf das Thema angesprochen. Er hat sich damals Sorgen gemacht, weil seine Nachbarin gestorben war und er wusste, dass sie keine Kinder oder sonstigen näheren Angehörigen hatte, die sich darum kümmern konnten. Wie ist das in der Schweiz geregelt? Konnte er da irgendwie helfen? Er selbst stammt aus Indien. Beim Gespräch hatte er Tränen in den Augen. Seit er hier in die Schweiz gezogen war, hatte er sich fast täglich mit der älteren Frau unterhalten und sie sehr ins Herz geschlossen. Er hat von ihr viel über Stadt, Land und Leute gelernt.

Auch kann ich mich noch an den Mittelstufenunterricht meiner ersten Pfarreistelle erinnern. Dort stand bei den 5. und 6. Klässlern das Thema Tod und Sterben auf dem Programm. Ich weiss noch, wie ich vor der ersten Lektion zu diesem Thema etwas nervös war. Aber dann war es total schön zu erleben, wie offen die Kinder darüber gesprochen haben. Besonders ein Moment hat sich mir eingeprägt, als ein Kind davon erzählt hat, dass es auch nach der Beerdigung des geliebten Grossvaters dessen Gegenwart weiterhin gespürt und diese ihm viel Kraft gegeben hat.

Als Heimseelsorgerin und im Zusammenhang mit Beerdigungen habe ich natürlich ebenfalls regelmässig mit diesem Thema zu tun. Es ist immer wieder beeindruckend, vom Tod her aufs Leben zu blicken. Einerseits auf das Leben eines ganz konkreten Menschen, der jetzt im Sterben liegt oder bereits verstorben ist. Aber oft kommt dadurch bei mir auch die Frage auf, wie es gerade um mein Leben und um das Leben meiner Mitmenschen steht und wie es in der Welt im Allgemeinen so läuft.

Vom Tod her das volle Leben in den Blick nehmen.

Da scheinen mir gewisse Dinge plötzlich wichtiger oder weniger wichtig als sonst so mitten im Hamsterrad des Alltags. Mir hilft es, mich zwischendurch wieder bewusster auszurichten und Prioritäten zu setzen.
Wie sieht es bei Ihnen aus?

 

Christa Grünenfelder